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Fundgrube: Clipping
Clipping Stimmen zur Zeit Dezember 2025 "Ich glaube, die Aufgabe der Philosophie besteht nicht darin, Antworten zu liefern, sondern aufzuzeigen, wie die Art und Weise, wie wir ein Problem wahrnehmen, selbst Teil des Problems sein kann." - Slavoj Žižek
Barry Ferns zeichnet ein Bild, in dem die heutige Politik einem "Cargo-Kult" gleicht: Sie kopiert Strategien aus der Ära der "Cowboy Economy", als unbegrenztes Wachstum und endlose Ressourcen als selbstverständlich galten, obwohl längst klar ist, dass Rohstoffe, Energie und Expansionsmöglichkeiten begrenzt sind. Heute werden dieselben wachstumsorientierten Rezepte aus der Vergangenheit rituell wiederholt – in der Hoffnung, historische Erfolge zu reproduzieren. Wie Inselbewohner, die Flugzeuglandebahnen nachbauen ohne zu verstehen, warum Flugzeuge damals kamen, imitiert die Politik Formen heute ohne Substanz. Mehr dazu auch hier "... und jetzt, das Wetter". |
KI: Blase oder schwarzes Loch?
↑ It’s Not An AI Bubble. It’s A Black Hole. (With Ed Zitron and Sruthi Pinnamaneni), Lever Time (Dezember 2025, LeverNews) In dieser Lever-Time-Episode diskutiert David Sirota mit Ed Zitron und Sruthi Pinnamaneni das Ende des KI-Hypes. Die These: KI sei keine Blase, sondern ein schwarzes Loch – Kapital verschwindet unwiederbringlich. Zitron argumentiert, die generative KI-Branche sei eine 50-Milliarden-Dollar-Industrie, die sich als Billionen-Dollar-Markt tarnt. Er prognostiziert einen Zusammenbruch innerhalb von 18 Monaten durch zirkuläre Investitionsstrukturen zwischen Nvidia, CoreWeave und OpenAI. Pinnamaneni ergänzt mit ihrer Recherche zu KI-Rechenzentren und deren realen Auswirkungen. |
Digitale Souveränität
↑ Schweiz gegen Microsoft 365 – und Deutschland schaut genau hin (Dezember 2025, Heise/YouTube) Die Parallelen sind unübersehbar: Wie Europa einst vom russischen Gas abhängig war, ist der Kontinent angewiesen auf US-amerikanische Hyperscaler. Die Schweiz zieht Konsequenzen: Die Datenschutzkonferenz Privatim hat die Nutzung internationaler Cloud-Dienste für Behörden massiv eingeschränkt – faktisch ein Verbot von Microsoft 365 für sensible Daten. Kern des Problems: Der US-CLOUD Act kann amerikanische Anbieter zur Herausgabe von Kundendaten verpflichten, selbst wenn diese in Schweizer Rechenzentren liegen. Die EU hingegen will die Cloud regulieren statt sie zu verbieten. Ob es ein Vertrauensvorschuss oder einfach ein alternativloses Szenario ist... bleibt offen. |
Autoritäres Drehbuch
↑ Der Verkauf von Warner Bros ist schrecklich - egal, wie er ausgeht, BeHaind (Dezember 2025, YouTube) Warner Bros. Discovery wollte ursprünglich gar nicht verkaufen. Doch als unaufgefordert ein Angebot von Paramount einging, witterte CEO David Zaslav die Chance und stellte den Konzern im Oktober offiziell ins Schaufenster. Netflix griff zu: 83 Milliarden Dollar für das Studio- und Streaming-Geschäft inklusive HBO Max. Doch Paramount schlug zurück – mit einem Übernahmeangebot von 108 Milliarden, dieses Mal direkt an die Warner Bros - Aktionäre adressiert. Was das Ganze politisch macht: Paramount gehört der Familie von Larry Ellison, einem engen Trump-Vertrauten. Auch Trumps Schwiegersohn Jared Kushner ist am Angebot beteiligt. Trump selbst forderte öffentlich den Verkauf von CNN – dem Sender, der ihm zu kritisch berichtet. Was als Medienkonsolidierung begann, wird zum Instrument politischer Einflussnahme: Ein unbequemer Nachrichtensender soll in loyale Hände wechseln. Vollkommen ungeachtet dessen, beschreibt Filmliebhaber David Hain, sehr eindrucksvoll die Auswirkungen, die - ganz gleich wie der Bieterstreit ausgeht - das Ergebnis auf den Markt für Filme, Serien und Kinos haben dürfte. Randnotiz: Was ist in diesem Kontext von "synthetischen Talenten", wie Tilly Norwood zu halten? |
Postmortaler Kapitalismus
↑ Billie Eilish fordert Mark Zuckerberg und die anwesenden Milliardäre auf, ihr Geld zu spenden, The Independent (November 2025, YouTube) Bei den WSJ Magazine Innovator Awards Ende Oktober stellte Billie Eilish den Milliardären im Raum – darunter u.a. Mark Zuckerberg – eine unbequeme Frage zur grundsätzlichen Verteilung von Vermögen auf diesem Planeten: „If you're a billionaire, why are you a billionaire?" Die 23-jährige Sängerin, die selbst 11,5 Millionen Dollar ihrer Tour-Einnahmen an Klimaschutz- und Ernährungsprojekte spendet, forderte die Superreichen auf, ihr Geld wegzugeben. “I was inspired because I saw that Jeff Bezos donated $25 million to help the homeless. Which I guess sounds generous, but I did the math. It turns out that $25 million is .028 percent of his net worth. Let me tell you something: donating .028 percent of my net worth is like if I went up to a homeless guy and stole a dollar.” - Gianmarco Soresi Laut Berechnungen könnte allein mit 40 Milliarden Dollar jährlich der Welthunger bis 2030 beendet werden. Die Summe klingt gewaltig – entspricht aber nur einem Bruchteil dessen, was die reichsten Menschen der Welt besitzen. Vorbildlich ist hier "The Giving Pledge", eine philanthropische Initiative, bei der sehr wohlhabende Menschen versprechen, den Großteil ihres Vermögens für gemeinnützige Zwecke zu spenden, entweder zu Lebzeiten oder in ihrem Testament. Die 2010 von Bill Gates und Warren Buffett gestartete Kampagne soll die Philanthropie fördern und hat seitdem mehr als 250 Unterzeichner aus 30 Ländern gewonnen. Allein die Bill & Melinda Gates Foundation hat seit dem Jahr 2000 beries über 100 Milliarden Dollar in humanitäre Projekte investiert. Die Ergebnisse: Kindersterblichkeit unter fünf Jahren halbiert, Polio-Fälle um 99 Prozent reduziert, über eine Milliarde Kinder geimpft. Bis 2045 sollen weitere 200 Milliarden Dollar folgen... und sie sind nicht allein. Doch nicht alle Versprechen des "Giving Pledge" werden eingelöst: Von 22 verstorbenen Unterzeichnern erfüllten nur acht bisher ihr selbstgestecktes Ziel. |
... und jetzt, das Wetter
↑ What Earth in 2050 could look like, Shannon Odell, TED-ed (März 2024, YouTube) Entwicklungsländer bräuchten laut UN-Schätzungen jährlich 2,3 bis 2,5 Billionen Dollar, um die Klimaziele bis 2030 zu erreichen. Gleichzeitig verursacht der Klimawandel bereits jetzt Schäden von rund 16 Millionen Dollar pro Stunde. Aktuell fließt rund eine Billion Dollar in Projekte, um die Pariser Klimaziele zu erreichen – gerade einmal ein Prozent des globalen BIP. Die Investitionen müssten sich bis 2030 verfünffachen. Was, wenn die Regierungen und Konzerne die Rettung unsere Lebensgrundlage ernst nähmen? Im Oktober 2008 bewilligte der allein der US-Kongress innerhalb weniger Tage 700 Milliarden Dollar zur Rettung des Finanzsystems. Die Federal Reserve stellte Kredite bereit, deren Umfang je nach Schätzung zwischen 1,2 und 29 Billionen Dollar lag. Die Euröpäische Zentralbank stellte über Langfristkredite (LTRO) rund eine Billion Euro bereit. China reagierte mit einem Konjunkturpaket von rund 600 Milliarden Dollar.
↑ The Real Cost of 2008, Financial Mysteries (November 2025, YouTube) Insgesamt kauften die großen Zentralbanken im vierten Quartal 2008 Staatsanleihen und toxische Vermögenswerte im Wert von 2,5 Billionen Dollar. Politischer Wille, so lernte die Welt damals, lässt sich in Stunden mobilisieren. Technisch ist die Transformation machbar. Frühwarnsysteme für Naturkatastrophen könnten weltweit ausgerollt werden und Schäden reduzieren. Bodenregeneration könnte Zeit kaufen. Lösungen existieren. Was, wenn man Klimaschutz nachhaltig denken würde? Eine Studie in Scientific Reports aus dem Jahr 2024 analysierte 164 Länder: Nur 49 haben Wirtschaftswachstum (durch Investitionen und Regulierung) von CO₂-Emissionen entkoppelt – 115 nicht. Und selbst wo die Entkopplung gelang, emittieren diese Länder weiterhin. Der EEB-Report „Decoupling Debunked" fasst zusammen: Es gibt keine empirischen Belege für eine Entkopplung im notwendigen Ausmaß – und sie erscheint auch künftig unwahrscheinlich. Das mathematische Problem: Zwischen 1990 und 2015 sank die CO₂-Intensität pro BIP um 0,6 Prozent jährlich (relative Entkopplung). Doch Bevölkerung und Pro-Kopf-Einkommen wuchsen jeweils um 1,3 Prozent – die Emissionen stiegen netto um 2 Prozent pro Jahr. Effizienzgewinne und damit Einsparungen von CO₂-Emissionen wurden vom Wachstum aufgefressen. Hinzu kommt: Reiche Länder haben Emissionen oft nur ins Ausland verlagert. Bei konsumbasierten Berechnungen verschwindet die Entkopplung so häufig wieder. Solange Wachstum das Ziel bleibt, läuft Klimaschutz gegen eine Wand. Der umweltfreundlichste Konsum, ist Konsum, der gar nicht stattfindet. Anders gesagt: Nicht grünes Wachstum, sondern primär weniger Wachstum senkt den Energiebedarf. Was fehlte, sind nicht zwingend Investitionen, sondern der politische und vor allem gesellschaftliche Bruch mit einem System, dessen Profiteure vom Wachstumszwang leben. Der jüngste IPCC-Bericht erwähnt daher auch explizit Degrowth als „Lösung für ökologische Nachhaltigkeit und sozioökonomischen Fortschritt". Eine Studie in One Earth zeigt: Niedrigeres Wachstum macht das 1,5-Grad-Ziel erreichbarer.
↑ Degrowth: Die Wirtschaft schrumpfen, um den Planeten zu retten – What in the World-Podcast, BBC World Service (Juni 2024, BBC/YouTube) Doch gilt Degrowth als politisch kaum durchsetzbar. Eine systematische Analyse der Forschungsliteratur zeigt: Die Mehrheit der Studien stuft Degrowth-Strategien als sozial und politisch unrealistisch ein. Kritiker wie der Ökonom Alessio Terzi argumentieren, dass Degrowth eine „Alles-oder-nichts-Strategie" sei, die inkrementelle Klimapolitik blockiere statt sie zu fördern. Zudem fehle eine klare Theorie des politischen Wandels – zwei Drittel der Degrowth-Literatur enthalten keine konkreten Politikvorschläge.
↑ Europe's Dark Winter: Germany Is COLLAPSING While Nobody's Talking About It, Yanis Varoufakis (Dezember 2025, YouTube) Das „First-Mover-Problem" verschärft die Lage: Kein Land will allein schrumpfen und damit Kapitalflucht, Währungsverfall und geopolitischen Machtverlust riskieren. Und: Die Profiteure des Wachstums – Konzerne, Investoren, wachstumsabhängige Sozialsysteme – haben enormes Interesse am Status quo. Wirtschaftliche Schrumpfung bedeutet unter kapitalistischen Bedingungen weniger Investitionen, Firmenpleiten und Jobverluste – Griechenlands Austeritätskrise gilt als Warnung. Degrowth-Befürworter kontern mit Arbeitszeitverkürzung und Jobgarantien, doch Kritiker sehen darin „Gleichheit in der Knappheit, nicht im Überfluss". Für den Globalen Süden stellt sich zudem die Gerechtigkeitsfrage: 712 Millionen Menschen leben in extremer Armut. Sollen ausgerechnet jene verzichten, die historisch am wenigsten zum Problem beigetragen haben? |
Verschwörung der Anständigkeit
↑ Rutger Bregman - Moral Revolution: A Time of Monsters, The Reith Lectures (Dezember 2025, BBC/YouTube) Der niederländische Historiker Rutger Bregman hält die BBC Reith Lectures 2025 unter dem Titel "Moral Revolution". In vier Vorträgen analysiert er den moralischen Verfall heutiger Eliten und zeigt anhand historischer Beispiele – von Abolitionisten bis Suffragetten – wie kleine, engagierte Gruppen gesellschaftlichen Wandel bewirken können. Bregman plädiert für eine "Verschwörung der Anständigkeit" und fordert Reformen wie bedingungsloses Grundeinkommen und verantwortungsvolle Tech-Regulierung. Die Vortragsreihe sorgte für Kontroversen, nachdem die BBC eine Trump-kritische Passage zensierte – ironischerweise in einer Lecture über institutionelle Feigheit gegenüber Autoritarismus. |
Bonus-Tracks
↑ Jimmy Wales, Wikipedia's founder/co-founder - Jung & Naiv: Episode 792 (November 2025, YouTube)
↑ Frank Sinatra (A.I Cover) - Five Nights at Freddy's (Juli 2023, YouTube) |
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